Masseneinwanderungs-Initiative: Der Umsetzungskrimi geht in die nächste Runde

Politik

Die Würfel sind gefallen. Zumindest die des ersten Spielzugs. Der Bundesrat hat den Gesetzesentwurf zur Umsetzung von Art. 121a Bundesverfassung (Masseneinwanderungs-Initiative) dem Parlament präsentiert. Er schlägt vor, die Zuwanderung mittels einer Schutzklausel zu steuern, die erst dann Höchstzahlen und Kontingente auslöst, wenn die Zuwanderung einen Schwellenwert übersteigt. Ein liberales, wirtschaftsverträgliches System also, sofern der Schwellenwert nicht zu tief angesetzt wird.

Masseneinwanderungs-Initiative: Der Umsetzungskrimi geht in die nächste Runde Quelle: Shutterstock

Die grosse Frage, die derzeit aber offen bleibt, ist, wie sich die EU zu dieser Schutzklausel stellt. Sie hat sich noch nicht dazu geäussert. Deshalb schlägt der Bundesrat im Sinne eines Plan B vor, die Schutzklausel einseitig einzuführen, falls die EU ihr Einverständnis dazu nicht geben sollte.

Bis vor kurzem haben sich die meisten Parteien sowie die Wirtschaftsverbände positiv zur Schutzklausel geäussert. Auch swissstaffing befürwortet die Klausel, weil sie der Wirtschaft den nötigen Handlungsspielraum einräumt. Leider zeichnet sich nun aber eine Trendwende ab. Praktisch alle Parteien haben sich in den Medien von der (einseitigen) Schutzklausel distanziert und drohen mit der Rückweisung der Gesetzesvorlage an den Bundesrat. Ob sie ihre Drohung im Parlament tatsächlich wahr machen, ist offen. Aber es deutet viel darauf hin. Grund dafür ist ein kürzlich erfolgter Bundesgerichtsentscheid, der festhält, dass eine einseitige Schutzklausel nur anwendbar ist, sofern die Personenfreizügigkeit gekündigt wird. Und das will – möglicherweise mit ein paar Ausnahmen – niemand. Auch swissstaffing nicht.

Der Druck auf den Bundesrat, eine einvernehmliche Lösung mit der EU zu finden, ist also deutlich gestiegen. Die Schutzklausel aus diesem Grund gleich zu verwerfen, wäre aber das Kind mit dem Bad auszuschütten. Zusammen mit den Dachverbänden der Wirtschaft hält swissstaffing nach wie vor an der Schutzklausel fest.

Dies umso mehr als die derzeit gehandelten Alternativen wenig überzeugen. Und für die Temporär- wie andere Branchen potentiell verheerend sind. Unter den Alternativvorschlägen am höchsten im Kurs ist das Konzept des Inländervorrangs. In Abhängigkeit der Arbeitslosenquote einer Branche soll der Inländervorrang zur Anwendung gelangen oder eben nicht, kann man in verschiedenen Parteistellungnahmen nachlesen.

Auf den ersten Blick mag das überzeugend klingen. Niemand ist dagegen, zuerst die Inländer zu beschäftigen, bevor man im Ausland rekrutiert. Doch wie immer ist die Realität nicht ganz so einfach. Eine überdurchschnittliche Arbeitslosenquote bedeutet nicht zwingend, dass die richtig qualifizierten Fachkräfte im Inland verfügbar sind. Der Abgleich zwischen den benötigten und vorhandenen Qualifikationen ist keine einfache mathematische Gleichung. Es ist eine komplexe Angelegenheit. Darum ist die Arbeitslosenquote (zumindest für sich alleine gesehen) kein taugliches Kriterium.

Auf die Temporärbranche bezogen zeigt sich die Absurdität dieser Idee exemplarisch: Die Temporärarbeit ist für viele Arbeitslose ein guter (Wieder-)Einstieg in die Arbeitswelt. Die Personaldienstleister rekrutieren also im Pool der Arbeitslosen. Nach dem Temporäreinsatz werden auch einige Mitarbeitende wieder arbeitslos. Das liegt in der Natur der Sache, weil Temporäreinsätze zeitlich begrenzt sind. Wie swissstaffing aus seinen Studien (swissstaffing Studie: Temporärarbeitende_2014) aber weiss, ist eine solche Arbeitslosigkeit meist nur von kurzer Dauer, nämlich bis die Stellensuchenden einen Anschluss-Job gefunden haben. Mittelfristig funktioniert die Integration in den Arbeitsmarkt über die Temporärarbeit sehr gut: 80% bleiben innert Jahresfrist und darüber hinaus im Arbeitsmarkt. Es wäre also absurd, die Temporärfirmen mit einer Inländervorrangs-Bürokratie zu belasten, nur weil sie aktiv Arbeitslose in den Arbeitsmarkt integrieren.

Die Politik sollte nicht zu rasch aufgeben und an der vielversprechenden Schutzklausel festhalten – natürlich mit dem Ziel, eine EU-kompatible Form zu finden.

In jedem Fall folgen weitere Spielzüge im Krimi um die Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative:

  • Debatte und Abstimmung im Parlament.
  • Abstimmung zum Brexit in Grossbritannien am 23.6.2016.
  • Gespräche mit der EU nach dieser Abstimmung.
  • Eventuell eine Abstimmung in der Schweiz über die bilateralen Verträge oder die Personenfreizügigkeit.
  • Und wenn die Zeit bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist nicht reicht, die Umsetzung des Verfassungsartikels via Verordnung im Februar 2017.

swissstaffing bleibt am Ball, um sich für eine wirtschaftsverträgliche und temporärarbeitsfreundliche Umsetzung der Masseinwanderungs-Initiative einzusetzen.

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