Der Brexit und die Folgen für die Schweizer Temporärbranche

Politik

Die Entscheidung Grossbritanniens wird sich auf die Schweizer Wirtschaft und Politik auswirken. Für die Personaldienstleister könnte sich der Markt kurzfristig verschlechtern. Ein Bericht zu den Gefahren und Chancen.

Der Brexit und die Folgen für die Schweizer Temporärbranche Quelle: shutterstock.com

Grossbritannien hat entschieden. Eine Mehrheit von 51,9 Prozent der Briten stimmte für einen Brexit. Das ist nicht nur eine Entscheidung mit Konsequenzen für Britannien, sondern auch mit Folgen für die Schweiz. Aufgrund des Brexit sieht sich die Schweizer Wirtschaft nun drei, sehr realen Gefahren gegenüber:

  • einer Aufwertung des Franken
  • einer politischen Instabilität – in der EU, aber auch in der Schweiz
  • einer Abkühlung der Weltwirtschaft – eine doppelte Rezession für die Schweiz?

Alle drei Gefahren lassen sich auf den Brexit zurückführen: Die Zukunft ist unsicherer geworden und Unsicherheit ist Gift für die Wirtschaft. Aber es gibt auch Chancen: Grossbritannien ist als Finanzplatz und als Standort für internationale Unternehmen unattraktiver geworden. Die Schweiz bietet sich als Alternative an.

Noch stärkerer Franken?

Wirtschaftliche Unsicherheit ist zuerst an den Finanzmärkten spürbar. Für die Schweizer Wirtschaft sind hier kurzfristig die Verwerfungen bei den Wechselkursen besonders wichtig: Nach Bekanntwerden des Schlussresultats stürzte das Pfund um bis zu 9 Prozent gegenüber dem Euro ab. Die Schweiz und der Franken gelten hingegen bei Anlegern in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit als sicherer Hafen. So wertete der Franken gegenüber dem Euro im frühen Tageshandel um 1,7 Prozent auf. Nach einem Jahr Frankenschock braucht man kaum mehr zu erklären: Ein noch stärkerer Franken verteuert die Exporte der Schweizer Industrie ins Ausland, und macht die Schweiz für Touristen teurer. So belastet der Brexit über die Wechselkurse direkt die Schweizer Wirtschaft. Ein Teil der Hoffnungen ruht damit bei der SNB: Durch das Drucken von Geld kann sie den Frankenkurs zur Unterstützung der hiesigen Wirtschaft stabilisieren. Mit anderen Worten: Jedes Pfund und jeder Euro, der in die Schweiz flüchten will, könnte von der SNB mit frisch, gedruckten Scheinen aufgekauft werden – der Wechselkurs bleibt stabil. Heute Morgen teilte die SNB mit, dass sie bereits am Markt interveniert.

Politische Unsicherheit

Der Grund für die Unsicherheit der Wirtschaft liegt im politischen Bereich. Der Brexit wirft nämlich eine ganze Reihe von Grundsatzfragen auf: Wie steht es um die Zukunft des Exportsmarkts Grossbritanniens? Folgen weitere EU-Mitglieder dem britischen Beispiel? Kann die EU dem Druck aus Euro-Rettung, Flüchtlingskrise und Brexit weiter standhalten? Ist der Brexit Auslöser für das Platzen von Blasen, die die Zentralbanken mit ihrer Niedrigzinspolitik aufgebläht haben? Der Brexit stellt vieles in Frage, was gestern noch gewisser schien. Waren Freihandel und Freizügigkeit bislang Garant für gutes Wirtschaften in Europa, könnten Zölle und Bürokratie bald wieder die Umsätze und Gewinne europäischer Unternehmen drücken. Mit Blick auf die Staatsverschuldung könnte dringend benötigtes Wirtschaftswachstum in Zukunft fehlen.

Einfluss auf die Schweizer Politik

Die politische Instabilität der EU könnte auch auf die Schweiz überschwappen: Grund ist die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative (MEI). Nach dem Austritt Grossbritanniens muss die EU gegenüber allen Ländern mit einer priviligierten Partnerschaft besondere Härte zeigen. Unterlässt sie dies, würde die EU ihre Stabilität nach Innen noch mehr gefährden. So könnten auch in anderen Mitgliedsländern Stimmbürger auf die Idee kommen: Rosinenpicken ist lukrativer als eine Vollmitgliedschaft. Die Schweizer Politik darf in Anbetracht der bevorstehenden Brexit-Verhandlungen somit weder mit viel Zeit noch mit viel Entgegenkommen von Brüssel rechnen. Zusammengefasst: Über Nacht haben sich die Kräfteverhältnisse in den Verhandlungen mit der EU verschoben. Jetzt ist es an den Schweizer Politikern verantwortungsvoll zu agieren und die MEI wirtschaftsfreundlich umzusetzen. Erinnert man sich an die damalige Abstimmungsdebatte, dürften sich viele Stimmbürger verantwortungsvolle Neuverhandlungen gewünscht haben. Dem muss nun Rechnung getragen werden.

Reagiert die Schweizer Politik ruhig und souverän – sei es bei der MEI, sei es bei der Unternehmenssteuerreform III – kann der Brexit der Schweiz aber auch nutzen. Grossbritannien ist als Finanzplatz und als Standort für internationale Unternehmen unattraktiver geworden. Die Entscheider könnten die Stabilität honorieren und aus Grossbritannien in die Schweiz abwandern. Eine solche Bewegung verspricht neue Arbeitsplätze, Wachstum und höhere Steuereinnahmen.

Vorerst negative Folgen für die Konjunktur und die Temporärbranche

Für die Schweiz kommt der Brexit zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. In Folge des Frankenschocks und der Unsicherheit rund um die Masseneinwanderungsinitiative hat die Schweiz wirtschaftlich schwierige Jahre hinter sich. In vielen, grossen Nachbarländern brummte hingegen die Wirtschaft. Man kann auch sagen: Die Schweizer Krise war hausgemacht. Kaum stehen die Zeichen wieder auf Erholung, könnte nun ein europäisches Konjunkturgewitter bevorstehen. Das heisst: Die Schweiz könnte zweimal kurz hintereinander einen wirtschaftlichen Abschwung erleben.

Was bedeutet diese Entwicklung für die Schweizer Temporärbranche? Da Temporärarbeitende klassischerweise bei Auftragsspitzen eingesetzt werden, dürfte es für die Branche in einem erneuten wirtschaftlichen Abschwung schwieriger werden. Bereits im Mai nahm der swisstemptrend um 8,9 Prozent ab – ein möglicher Grund: die Sorge der Schweizer Wirtschaft vor einem Brexit. Andererseits hat das Krisenjahr 2015 gezeigt: Nach dem Frankenschock ging die Zahl der Einsatzstunden nur um vergleichsweise moderate 1,4 Prozent zurück. Ein Zeichen dafür, dass die Temporärarbeit den Schweizer Unternehmen die notwendige Flexibilität gibt, im internationalen Wettbewerb zu bestehen. Mit zunehmendem Druck wird diese Flexibilität gerade bei qualifizierten und hochqualifizierten Beschäftigten immer wichtiger. So kann die Branche neue Marktchancen nutzen. Ein zentraler Schlüssel für Wettbewerbsfähigkeit bleibt nämlich nach wie vor: der richtige Arbeitnehmer zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Für die Temprorärbranche bedeutet dies: Kurzfristig dürfte die Geschäftstätigkeit zwar abnehmen, in der mittleren Frist gibt es aber auch Licht am Horizont – sei es durch neue Märkte im hochqualifizierten Bereich oder durch zuwandernde Unternehmen.

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