Wir brauchen bessere Beziehungen

Für das Relationship Management gibt es Dutzende modernster Programme, der Kundendialog mit unterhaltendem Content boomt auf allen Social-Media-Kanälen. Ob Wirtschaft, Politik oder Non-Profit-Unternehmen: Von Beziehungspflege sprechen alle. Doch reicht konventionelles Beziehungsmanagement, um mit der neuen Generation zu interagieren und sich als Marktleader langfristig zu etablieren?

Um die Frage gleich klar zu beantworten: nein! Wer sich künftig an die Spitze setzen will, braucht weniger Relationship Management, dafür mehr Echtheit und Nähe. Menschen, die morgen unsere Dienstleistungen beanspruchen und unsere Produkte kaufen, haben ein feines Gespür für authentischen und werteorientierten Dialog. Sie debattieren gerne, pflegen ihre Communitys, nutzen neueste Technologien und durchschauen gleichzeitig, wenn sie zur kommerziellen Zielgruppe abgewertet werden.

Sie meinen, die Jugend sei mit Nabelschau und Selbstinszenierung beschäftigt? Täuschen wir uns nicht: Die Selfie-Generation ist eher 50 als 20 Jahre alt. Während wir zaghaft überlegen, ob wir für unsere Unternehmenskommunikation vielleicht doch einen Instagram-Account anlegen sollten, schliessen sich Jungunternehmerinnen und Jungunternehmer virtuell und physisch zusammen und verändern die Welt. Technologisch hochkompetent, aber auf der Basis tragender Werte und starker Beziehungen. Aus meiner Praxis als Personal- und Unternehmensberaterin erkenne ich drei Kriterien, die echte Beziehungen von konventionellen unterscheiden, und für die Beziehungsgestaltung der Zukunft entscheidend sind:

Hochwertige Beziehungen entstehen durch
Zuwendung und leidenschaftliches Zuhören.

1. Mehr Interesse, weniger Selbstinszenierung

Kennen Sie die Networking-Anlässe, von denen man enttäuscht nach Hause geht, weil man niemanden für sich gewinnen konnte, obwohl man doch ein ganzes Bündel Visitenkarten eingepackt und den Elevator Pitch intensiv geübt hatte? Die Lösung liegt in der veränderten Einstellung: Wer sich ohne Erwartung darauf freut, Menschen zu begegnen und kennenzulernen, kann nur gewinnen. Statt den schnellen Auftrag vielleicht den überraschenden Tipp, die hilfreiche Erfahrung oder die wertvolle Empfehlung. Dazu müssten wir uns aber für Menschen und ihre Geschichten interessieren und begeistern, wir müssten Fragen stellen, zuhören und uns dem Gegenüber zuwenden. Leider haben wir nur gelernt, uns mit wirkungsvollem Outfit, passenden Statussymbolen oder knackigen Statements ins Schaufenster zu stellen, und unser profundes Fachwissen und unsere schlanke Figur optimal in Szene zu setzen. Beziehungen werden aber von echtem gegenseitigem Interesse genährt.

Authentische Beziehungen leben von brennenden
Themen und gemeinsamer Weltveränderung.

2. Mehr Positionierung, weniger Smalltalk

Junge Menschen haben eine enorme Lust an werteorientierter Debatte. Egal, welcher politischen Bewegung sie angehören, ihre Diskussionen haben Substanz und basieren auf klaren Zukunftsvorstellungen. Und sie führen zu Taten. Während die gesetzte Generation an Business-Events Weisswein trinkt, Anekdoten zum Besten gibt und sich vom Rahmenprogramm unterhalten lässt, sind die Jungen auf der Strasse und kümmern sich lautstark um Klima, Frauenförderung oder ethische Bedingungen für Digitalisierung und Globalisierung. Wenn wir in Zukunft echte und starke Beziehungen pflegen wollen, müssen wir aus unserem Schneckenhaus des Smalltalks herauskommen und uns positionieren. Wir müssen unsere Werte definieren und diese transparent vertreten. Nur wer offen für seine Überzeugungen einsteht, gewinnt Partnerinnen und Partner, die am selben Strick ziehen. Beziehungen der Zukunft leben von brennenden Themen und einer gemeinsamen Mission.

3. Mehr Kooperation, weniger Einzelkämpfe

Die Wirtschaft kennt eigentlich nur das «Customer Relationship Management». Dabei geht es nicht um Partnerschaften, sondern um Kundenpflege. Das bedeutet, wir leben Beziehungen vor allem mit dem Ziel, dass andere etwas von uns kaufen. Wer lange nichts kauft, wird gelöscht oder intensiver beworben, wer viel kauft, wird zum «Key Account» und besonders intensiv betreut. Zudem sehen wir uns als Einzelkämpfer, grenzen uns von Marktbegleitern ab und leben immer noch das verwurzelte Konkurrenzdenken. Diese Haltung wird in Zukunft markant an Bedeutung verlieren. Gewicht gewinnt hingegen das offensive Teilen («Sharen») von Fachkompetenzen – bezahlt oder unbezahlt. Die Player auf dem Markt von morgen haben keine Angst vor dem Teilen, entwickeln vielmehr neue Modelle des Wissensaustauschs und verstehen sich als sich ergänzende Partnerinnen und Partner. Man stellt seinen Erfahrungsschatz in Communitys zur freien Verfügung und holt sich die Skills, die man gerade braucht. Echtere Beziehungen setzen Kräfte frei und fördern die Lust an kreativer Arbeit, an Qualitätsentwicklung und am Erfinden neuer Tools und Technologien zum Wohle aller.

In zukunftsweisenden Beziehungen stellen sich
Profis gegenseitig Fachkompetenz zur Verfügung.

Zusammenfassend: Wir brauchen auch in Zukunft gute Beziehungen. Aber wenn wir im Sinne des übergeordneten Themas «Working Out Loud» nachhaltig voneinander profitieren und den Markt der Zukunft gemeinsam erfolgreich gestalten wollen, lohnt sich die Frage, wie wir diese Beziehungen tiefer, echter und natürlicher leben können. Übrigens spreche ich auch von der Nächstenliebe – diese lebe ich ebenso als Unternehmerin konsequent und mit all ihren Facetten!

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