Recruiting ist die Königsdisziplin

Herr Vögele, Sie sind seit 2008 CEO der Hans Leutenegger AG. Was hat sich in dieser Zeit im Recruiting verändert?

Der Anspruch unserer Kunden einerseits, sowie die Erwartungshaltung unserer potentiellen Mitarbeiter bzw. Kandidaten andererseits. Beide haben in den vergangenen Jahren markant zugenommen, was sich direkt auf den gesamten Rekrutierungsprozess auswirkt. Vor allem im Bereich der Vermittlung von qualifizierten Fachkräften zeichnet sich insbesondere auf Kandidatenseite ein Trend zu einem verstärkten Informationsbedürfnis mit Blick auf den künftigen Einsatz ab.

Beobachten Sie weitere Veränderungen?

Die Zeit der sogenannten «Kalt-Akquisen», der «blinden» Rekrutierung von Mitarbeitern ohne bereits deren vorgesehenen Einsatzort oder -betrieb zu kennen, gehört meiner Meinung endgültig der Vergangenheit an. Weiter glaube ich feststellen zu können, dass die Kandidaten wählerischer geworden sind, was die Flexibilität hinsichtlich Arbeitszeiten, Freizeit und Ferien im künftigen Arbeitseinsatz betrifft.

Wie hat sich die Digitalisierung auf das Recruiting ausgewirkt?

Die zunehmende Digitalisierung im Recruiting ist deutlich spürbar und bringt eine erhebliche Entlastung bei der gezielten Bearbeitung einer immer grösser werdenden Datenflut. Je mehr verschiedene Daten von Kandidaten dem Rekrutierer zur Verfügung stehen, desto wahrscheinlicher ist schliesslich die Trefferquote. Hier bieten neuartige Tools wie das «Parcing» und das «Matching» eine spürbare Entlastung. Es ist allerdings eine Illusion zu glauben, dass alle Evaluationen und die daraus abgeleiteten Entscheidungen allein und zuverlässig durch Algorithmen getroffen werden können. Insofern halte ich nicht sehr viel vom automatisierten «Durchforsten» von CV-Datenbanken, geschweige denn, wenn dafür auch noch teuer bezahlt werden soll...

Was ist aus Ihrer Erfahrung das A und O beim Recruiting?

Der persönliche Kontakt mit dem Kandidaten steht für mich nach wie vor im Vordergrund. In der Regel genügen einem erfahrenen Personalberater zwanzig Sekunden Augenkontakt, um einen klaren Eindruck darüber zu gewinnen, wie sein Gegenüber «tickt». Damit aus diesem persönlichen Kontakt aber auch das Maximum an Informationen über den Kandidaten «extrahiert» werden kann, muss der Rekrutierer hohe Fach- und Sozialkompetenz ausweisen und vor allem seriös und umfassend auf das Gespräch vorbereitet sein. Er hat nur DIESE einmalige Chance, einen guten Kandidaten für uns gewinnen zu können, denn «um die Ecke» steht bereits der nächste Personaldienstleister mit weit offenen Armen bereit.

Wie finden Sie die Talente bei Hans Leutenegger AG?

Wenn ich das hier preisgebe, würden sich unzählige Mitbewerber heimlich freuen (lacht). Die Hans Leutenegger AG setzt sehr viel Energie dafür ein, sich als attraktiver Personalvermittler bzw. Arbeitgeber darzustellen. Dazu gehören insbesondere im Personalverleih die Gewährung von attraktiven Arbeitsbedingungen und die Möglichkeit auf eine Festanstellung bei der Hans Leutenegger AG. Bei uns gilt die Devise: temporär ist nicht die Anstellung, sondern der Einsatz, was dem Arbeitnehmer das Sammeln von breit gefächerten Berufserfahrungen ermöglicht und ihm aber auch in seinem privaten Umfeld Stabilität gibt. Dies alles bedingt aber auch, dass wir über attraktive Einsatzbetriebe verfügen, das heisst ein verlässlicher Partner von innovativen Unternehmungen in der Schweiz und im Ausland sind. Wir versuchen dies, indem wir unseren Kunden den grösstmöglichen Service bieten, wozu unter anderem auch das zur Verfügung stellen von Werkzeug und Arbeitsgeräten gehört.

Welche Herausforderungen beschäftigen Sie aktuell?

Auch wenn ich mich an dieser Stelle wiederhole: es ist der akute Mangel an Fachkräften und das Bedürfnis von immer mehr Flexibilität, sowohl seitens der Kandidaten, als auch seitens unserer Kunden. Die beidseitig hohe Anspruchshaltung bedingt eine dauernde Weiterentwicklung und vor allem Weiterbildung unserer Personalberater. Vermehrt ist auch unternehmerisches Denken und genügend Weitsicht, statt lediglich kurzfristiger Erfolg, gefragt. Problematisch empfinde ich die zunehmende Tendenz zum Etatismus, beziehungsweise die zunehmende regulatorische Einflussnahme von Staat und Institutionen, aber auch von Interessenverbänden beider Seiten.

Was wird Ihrer Meinung nach die Aufgabe eines Personaldienstleisters in Zukunft sein?

Die individuellen Ansprüche, aber auch das wirtschaftliche Umfeld fordern immer mehr Flexibilität. Es wird neue Formen des «Arbeitens» geben; namentlich die Gig-Economy – die kurzfristige Vergabe und Erledigung von Aufgaben in der Direktvermittlung – wird noch an Bedeutung gewinnen, jedoch wohl kaum die klassischen Arbeitsmodelle gänzlich verdrängen. Der Personaldienstleister wird aber in Zukunft für alle Personalbelange wohl vermehrt die Rolle eines «Treuhänders» und zwar sowohl für Arbeitnehmer, als auch für Unternehmer übernehmen müssen. Nur wenn es dem Personaldienstleister gelingt, die unterschiedlichen Flexibilitätsansprüche «unter einen Hut» zu bringen, wird er langfristig bestehen können.

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