Inländisches Arbeitskräftepotential nutzen – Geflüchtete im Fokus

Der Schweiz fehlen in Zukunft die Arbeits- und Fachkräfte. Immer mehr Unternehmen können ihre offenen Stellen nicht besetzen. Diese Entwicklung wird sich laut verschiedenen demographischen Prognosen weiter verschärfen. Umso wichtiger ist es, das noch ungenutzte Arbeitskräftepotential im Inland zu berücksichtigen.

Zum inländischen Arbeitskräftepotential gehören neben stellensuchenden Schweizerinnen und Schweizern auch aufenthaltsberechtigte und niedergelassene Ausländerinnen und Ausländer, namentlich auch anerkannte Flüchtlinge, vorläufig Aufgenommene und Schutzbedürftige (d.h. Personen mit folgenden Ausweisen: B, C, B-Flüchtlinge, Status F und S). Sie alle bleiben de facto mittel- oder langfristig in der Schweiz und haben Zugang zum Arbeitsmarkt.

Unausgeschöpftes Potential

Im März dieses Jahrs hat der Bundesrat eine Gesamtschau zur Situation des Fach- und Arbeitskräftemangels und zu bestehenden Fördermassnahmen vorgelegt1. Im Bereich der Integrationsförderung konnte durch die seit 2019 in allen Kantonen umgesetzte Integrationsagenda Schweiz (IAS), die Erwerbsbeteiligung gesteigert2 und Sozialhilfekosten verringert3 werden.

Wie der Bericht des Bundesrats vom März zeigt, besteht aber bei einigen Zielgruppen weiterhin ein unausgeschöpftes Potential zur Erhöhung der Arbeitsmarktbeteiligung: Erstens bei Frauen mit und ohne Migrationshintergrund, wie beispielsweise bei Wiedereinsteigerinnen oder im Familiennachzug zugewanderte Frauen. Zweitens bei älteren Arbeitnehmenden, sowie drittens, bei geflüchteten Personen. Gemäss Schätzungen des Staatssekretariates für Migration, besteht bei rund 30'000 Flüchtlingen und vorläufig Aufgenommenen im erwerbsfähigen Alter (18- 64 Jahre) ein Potential eine Erwerbsarbeit aufzunehmen. Dazu kommen rund 25'000 schutzbedürftige Personen (Status S).

Arbeitgebende, die Stellen zu vergeben haben, sind somit aufgerufen, Stellensuchenden zu berücksichtigen, die sich bereits im Inland befinden.

40 Prozent Erwerbsbeteiligung bei Schutzbedürftigen aus der Ukraine bis Ende 2024

Seit Frühjahr 2022 sind zehntausende Personen vor dem russischen Angriff aus der Ukraine in die Schweiz geflohen. In der ersten Phase bestanden teilweise widersprüchliche und unterschiedliche Vorstellungen und Erwartungen, was den raschen Einstieg in den Arbeitsmarkt dieser Personen betrifft. Geflüchtete Personen brauchen Zeit, um anzukommen und Sprachkompetenzen zu erwerben. Die Kantone haben mit Unterstützung des Bundes von Beginn weg auf breiter Front Sprach- und andere Fördermassen bereitgestellt. Inzwischen haben viele Schutzbedürftige das Niveau A2 oder B1 in einer Schweizer Landessprache erreicht.

Ende 2023 hat der Bundesrat daher für die berufliche Integration der Schutzbedürftigen aus der Ukraine ein strategisches Ziel festgelegt: Bund, Kantone, Wirtschaft und Geflüchtete sollen enger zusammenarbeiten und eine Erwerbstätigenquote von 40 Prozent bis Ende 2024 anstreben.

Von den stellensuchenden Geflüchteten wird erwartet, dass sie Arbeitserfahrungen sammeln und ihre Sprachkompetenzen weiter verbessern. Auch Teilzeit- oder Temporärarbeit kann für den ersten Zugang zum Arbeitsmarkt sinnvoll sein. Die erste Arbeitserfahrung ist oft das Sprungbrett für die weitere berufliche Entwicklung.
Von den Betrieben wird damit erwartet, dass sie bei Stellenbesetzungen das inländischen Arbeitskräftepotentials aktiv berücksichtigen und somit auch stellensuchende Schutzbedürftigen und anderen Geflüchteten den Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen.

Der Bundesrat hat dazu eine mittelfristige Planungssicherheit bei Personen mit Status S geschaffen. Grundsätzlich gilt der Schutzstatus bis März 20264. Aktuell kann nicht vorhergesagt werden, wann der Schutzstatus aufgehoben wird. Erwerbstätigen Personen mit Schutzstatus S soll gemäss Beschluss des Bundesrates vom 20. September 2024 ab dem Zeitpunkt einer allgemeinen Aufhebung des Schutzstatus eine zusätzliche Ausreisefrist von 12 Monaten gewährt werden. Damit besteht für die Unternehmen und die Betroffenen grundsätzlich ein Planungshorizont bis ins Jahr 20275.

Personaldienstleister – Unterstützung bei der Erwerbsintegration

Die Kantone stellen Jobcoaching bereit, um Geflüchtete bei der Erwerbsintegration individuell zu begleiten. Viele Personen mit Status S werden auch von RAV-Personalberatenden begleitet, Tendenz steigend. In etlichen Kantonen sind jedoch noch nicht genügend Beratungskapazitäten für alle Stellensuchenden vorhanden. Hier können die Personaldienstleister eine ergänzende Rolle spielen. Bereits heute arbeiten in einigen Kantonen Personaldienstleister mit den kantonalen Integrationsförderungsstellen zusammen. Für Personaldienstleister kann dies eine Chance sein, mit qualifizierten Kandidatinnen und Kandidaten in Kontakt zu kommen.

Arbeitsbewilligung durch eine einfache Meldung ersetzen

Bei Geflüchteten ist die Frage des Zugangs zum Arbeitsmarkt heute unterschiedlich geregelt. Bei anerkannten Flüchtlingen (Ausweis B) und vorläufig Aufgenommenen (Ausweis F) genügt es, die Erwerbsaufnahme vor Arbeitsbeginn via easyGov (oder mit einem einfachen Formular per Mail) an- und wieder abzumelden. Bei Schutzbedürftigen aus der Ukraine (Status S) gilt jedoch nach wie vor eine Arbeitsbewilligungspflicht. Parlament und Bundesrat haben inzwischen entschieden, diese abzuschaffen und durch dasselbe Meldeverfahren wie für Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene zu ersetzen (Umsetzung der Motion 23.3968). Die Rechtsetzungsarbeiten bis zum Inkrafttreten der entsprechenden vereinfachten Regelung werden jedoch noch einige Monate in Anspruch nehmen.

Die vorgängige Prüfung von Lohn- und Arbeitsbedingungen durch die zuständigen kantonalen Behörden zur Erteilung der Arbeitsbewilligung gestaltet sich in der Regel jedoch unkompliziert und erfordert meist nur einige Tage.

Aber es gibt schon heute Lösungen

Bereits im Rahmen des geltenden Rechts ist es jedoch unter bestimmten Voraussetzungen nicht notwendig, für jeden einzelnen temporären Arbeitseinsatz eine Bewilligung einzuholen. Personalverleiher können mit den Stellensuchenden einen Rahmenvertrag schliessen und darin für alle geplanten Einsatzbereiche die jeweiligen Löhne wie auch die Arbeitsbedingungen regeln. Diese müssen den geltenden Gesamtarbeitsverträgen, Normalarbeitsverträgen oder ortsüblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen entsprechen. Diese Rahmenverträge können vor dem ersten Arbeitseinsatz von den zuständigen Behörden in den Kantonen geprüft und die Arbeitsbewilligung erteilt werden. Liegt diese vor, so können die anschliessenden temporären Arbeitseinsätze in den für die Person bewilligten Einsatzbereichen erfolgen und es bedarf keiner weiteren Bewilligung oder Meldung.

Es braucht ein Engagement aller

In der Schweiz gibt es viele motivierte und qualifizierte inländische Arbeitskräfte, die eine Erwerbsarbeit aufnehmen möchten, darunter auch viele geflüchtete und schutzbedürftige Personen. Sie verdienen eine Chance, auch wenn es für ihre berufliche Integration manchmal eine Extrameile zu gehen gilt. Bereits heute wird viel getan. Nun braucht es weiteren Goodwill und nochmals einen Schritt zu einer engeren Zusammenarbeit, damit das Arbeitskräftepotential unter den Schutzbedürftigen und anderen Geflüchteten besser ausgeschöpft werden kann.

Ein Job in der Schweiz – Arbeiten lohnt sich. Für alle.
Mitglieder von Swissstaffing, die sich engagieren möchten, sind gebeten, sich an die kantonalen Ansprechstellen zu wenden. Die Ansprechstellen und -personen der Integrationsförderung in den Kantonen finden sich hier.
Der Autor ist gerne bereit zu unterstützen und im Rahmen seiner Möglichkeiten Kontakte herzustellen.

 

Quellenangaben

1 Der Bundesrat will das inländische Arbeitskräftepotenzial weiter fördern (15. März 2024)
2 Monitoring Integrationsförderung
3 Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS schätzt, dass der Anstieg der Geflüchteten, die von der Sozialhilfe unterstützt werden, stabilisiert werden konnte und führt dies insbesondere auf die Wirkung der Integrationsagenda zurück. Geflüchtete in der Sozialhilfe: Integrationsagenda zeigt Wirkung (18. September 2024)
4 Schutzstatus S wird nicht aufgehoben (4. September 2024)
5 Schutzstatus S bewährt sich gemäss Evaluationsgruppe (20. September 2024). Ukrainische Jugendliche, die eine Lehre antreten, dürfen bis zum Lehrabschluss in der Schweiz verbleiben: Jugendliche aus der Ukraine sollen Lehre in der Schweiz abschliessen können (1. März 2023).