Blockchain: Humbug oder Heiliger Gral für die Personaldienstleistung?

HR Today

Blockchain wird als die neue Technologie gehandelt. Ob zu Recht oder nicht, wird sich in der Schweiz erst noch zeigen. Für die Personaldienstleistungsbranche birgt sie nebst Potenzial auch Gefahr. Denn viele Projekte versuchen die Vermittler abzuschaffen.

Blockchain ist in aller Munde. Bei vielen als Gewirr von ineinander verschlungenen blauen Ketten, bei anderen als Mönch mit einem aufwändig illustrierten Buch und bei sehr wenigen mit einer aktuellen Umsetzung. Klar ist: Blockchain ist noch am Anfang seiner Karriere. Potenzial hat die Technologie jedoch, auch im Bereich HR und der Personaldienstleistung. Auf die Technologie haben jedoch die wenigsten Recruiter gewartet. Ob diese Einstellung berechtigt ist, wird sich zeigen.

Online Plattformen, Künstliche Intelligenz und nun Blockchain, alles Technologien die als bedrohlich für die Personaldienstleistung gehandelt wurden und werden. Doch die Branche ist so stark wie noch nie: das Wachstum 2018 betrug nach den neusten swissstaffing-Schätzungen 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein klarer Beweis, dass die Dienstleistung gefragt und aus der Wirtschaft nicht mehr wegzudenken ist. Ohne Innovation auch von Seiten der Personaldienstleister wäre dies jedoch nicht möglich gewesen. Denn die Gefahr durch die neuen Technologien ist real. Insbesondere mit einer Vogelstrauss-Politik.

Erfolgreich innoviert

Mit Coople, Adia oder auch kleinere Plattformen wie smartstaff existieren mittlerweile mehrere online Plattformen erfolgreich auf dem Schweizer Markt. Wenn es schnell gehen muss, sind Plattformen hoch im Kurs. Beim Arbeitnehmer wie auch Arbeitgeber. Gerade in Branchen wie Gastro, Hotellerie oder Events sind temporäre Einsätze via eine Plattform gefragt. Auch die dem Untergang prophezeiten Jobplattformen halten sich heute immer noch erstaunlich wacker. Mittlerweile haben sich die meisten mit einem Job Spider revolutioniert wie beispielsweise Jobchannel oder Indeed. Zwei weitere starke Player in der Rekrutierung sind die Social Media Netzwerke Xing und LinkedIn. Beide offerieren Recruitern eine Fülle an Tools, Daten und Statistiken um die gesuchten Talente anzusprechen. Heutige Personaldienstleister beherrschen die Klaviatur dieser Tools. Eine Herausforderung, denn der Markt entwickelt sich rasant.

Königsdisziplin Personalmarketing

Das Recruiting wird immer mehr zur Marketing-Disziplin. Zielgruppen-Analyse, Time-to-hire Optimierungen, Active Sourcing, eRecruiting sind keine Königsdisziplinen mehr, sondern gehören zum Tagesgeschäft. Ein Recruiter muss wissen, wo seine Talente zu finden sind und wie er diese ansprechen und überzeugen kann. Und das funktioniert mittlerweile auch mit Re-Targeting, einem geschickten Einsatz von Keywords für Google oder Analyse des Verhaltens auf Social Media. Das bestätigt Raphael Zand, Brand Innovation Manager von Careerplus (Schweiz) AG: «Der Trend geht zwar tatsächlich hin zu Rekrutierungskampagnen und weg vom nur Aufschalten eines Stelleninserates.» Langfristig gäbe es zwei wichtige Trends in der Rekrutierung: Predictive Analytics (Big Data) im HR und Robot Recruiting.

Möglich ist das erst, weil unsere Daten online verfügbar sind. Komplette Lebensläufe auf Xing und LinkedIn, Freunde und Interessen auf Facebook oder Instagram und unser gesamtes online Verhalten via Cookies auf Google Analytics. Immer häufiger wird Unmut über diese einseitige Transparenz laut. Gleichzeitig sind Recruiter mit einer weiteren Herausforderung konfrontiert: Stimmen die Angaben, ob online oder auf Papier überhaupt? Und hier kommt nun die Blockchain ins Spiel.

Das Vertrauensproblem

Vertrauen ist schön und gut. Leider gibt es genügend Beispiele in denen vertrauenswürdige Personen, grosse Unternehmen oder Regierungen dieses Vertrauen missbraucht haben. Blockchain löst das Vertrauensproblem. Samuel Steiner, Geschäftsführer der Renuo AG erklärt: «Die Blockchain ist ein manipulationssicheres, transparentes und verteiltes «Buch». Weil es durch die Dezentralität viele Kopien dieses Buches gibt, ist immer nur jene Version gültig, welche die aktuellste ist (die längste Anreihung von Blöcken) und bei der sich die Mehrheit der Knoten in einem Netzwerk über ihre Validität einig ist. Das Buch beinhaltet dabei nicht nur eine Information, sondern auch sämtliche vorherige Versionen davon (Historie).» Der grosse Vorteil der Blockchain läge somit darin, dass die Daten nicht zentral, sondern dezentral abgespeichert sind und man sie aufgrund der kopierten Historie nicht fälschen kann. Wie kann diese Technologie also für das HR oder die Personaldienstleistung eingesetzt werden?

Blockchain in der Personaldienstleistung

Bei jeder Bewerbung, jedem Gespräch der gleiche Ablauf: man muss seinen Lebenslauf und Zeugnisse zustellen. Das kann für Arbeitssuchende mühsam sein. Gerade wenn mehrere Personaldienstleister in der Suche unterstützen. Jeder Personaldienstleister führt seine eigene Talent-Datenbank, Überschneidungen sind vorprogrammiert. Eine Inneffizienz? Blockchain-Vorreiter denken so. Bis ein Talent eingestellt wird, sind viele unterschiedliche Personen und Unternehmen am Prozess beteiligt: Recruiter, Personaldienstleister, Verantwortliche von RPOs/MSPs, Ansprechpersonen im HR oder im Einkauf. Eine weitere Herausforderung für alle Beteiligten: Immer wieder stellen Personaldienstleister und HR-Fachleute fest: der Lebenslauf, das Zeugnis entspricht nicht den Tatsachen. Kann Blockchain eine Lösung für diese Herausforderungen bieten? Vivek Anand, Geschäftsführer vom Schweizer Start Up Workonomix ist überzeugt: «Blockchain als eine dezentrale und sichere Datenbank kann die Personaldienstleistungs-Wertkette digitalisieren und deren Effizienz steigern. Durch einen einzigen, geprüften Personaleintrag, verfügbar für alle». Workonomix bietet ein Blockchain-Wallet (Geldbörse mit Bitcoin) mit einer Verifizierung der persönlichen Angaben wie Lebenslauf, Zeugnisse und ermöglicht gleichzeitig die Anstellung und das Onboarding von Jobsuchenden. Talente, Personaldienstleister und Recruiter haben somit Zugriff auf ein einziges verifiziertes Profil und können sich gegenseitig mit ein paar wenigen Klicks kennenlernen, den Vertrag abschliessen und die Arbeit aufnehmen.

Während in der Schweiz Blockchain-Startups noch dünn gesät sind, bestehen im internationalen Umfeld verschiedene Start-Ups mit Blockchain-Projekten rund um die Talent Acquisition. Verschiedene sind bereits lanciert, andere noch in der Startphase. Eine Auswahl der wichtigsten Start-Ups:

  • Jobeum.com & Chronobank.io: Jobeum und Chronobank haben eine Partnerschaft. Sie wollen die Personalbeschaffungsbranche revolutionieren. Jobeum ist ein berufliches Netzwerk basierend auf Blockchain. Nutzer können kontrollieren, wer was in ihrem Profil sieht. Sie verdienen JobTokens, wenn sie Informationen teilen oder Aktionen vornehmen wie z.B. Kontaktinformationen anzeigen oder Fähigkeiten bestätigen. Chronobank hat zusätzlich Labor-Hour-Tokens geschaffen. Arbeitseinsätze und Löhne können somit direkt über die Plattform automatisiert werden.
  • HireMatch.io: HireMatch verbindet Jobsuchende und Arbeitgeber mithilfe von Blockchain und der Kryptowährung HIRE. Auch Recruiter können unterstützen und Tokens verdienen dank einer API Schnittstelle.
  • Blocklancer.net / GigEcoin.com / Ethlance.com: Dezentralisierte und unabhängige Plattformen, die Freelancer mit Jobs verbinden und deren Bedingungen verbessern möchten. Tiefere oder keine Gebühren, Bezahlung mit Krypotwährung, Bewertungen und Feedbacks sind gesichert durch die Blockchain.
  • bitJob.io: Das erste Hybrid Blockchain Projekt, das eine Peer-to-Peer Verbindung zwischen Arbeitgeber und Studenten bietet. Nutzer können sich gegenseitig verifizieren, Jobs vorschlagen, Jobs bewerten und Tokens verdienen mittels Aktivitäten auf Social Media.
  • job.com: Eine Plattform, die künstliche Intelligenz und Blockchain vereint um Arbeitssuchende und Firmen zusammenzubringen. Möchte den Personaldienstleister ersetzen und den Rekrutierungsprozess automatisieren.
  • aworker.io: Aworker ist eine auf Blockchain basierende Rekrutierungsplattform. Wichtig dabei sind Empfehlungen und intelligente Verträge. Bewerber können die Sichtbarkeit ihrer Daten überwachen und Geld dafür verdienen.

Viele Blockchain-Startups im Bereich Talent Acquisition möchten die Arbeitssuche grundlegend revolutionieren und damit den Vermittler ersetzen. Ebenso existieren Blockchain Initiativen um die Supply Chain zu innovieren, was wiederum Einfluss hätte auf die neuen Dienstleistungen RPO und MSP der Branche. Die swissstaffing-Studie «Die Personaldienstleister in der Schweiz 2018» hat gezeigt, dass 48 Prozent der Geschäftsführer denkt, dass die Digitalisierung die Branche verändern wird. Jeder Zweite sieht in digitalen Dienstleistungen einen Wettbewerbsvorteil. Untätig waren die Personaldienstleister nicht: 61 Prozent haben innerhalb der letzten 5 Jahre eine Digitalisierungsprojekt durchgeführt. Die Personaldienstleistung hat viele neue Trends kommen und gehen sehen. Fakt ist: Blockchain hat das Ziel Geschäftsmodelle zu demokratisieren und hat verschiedene Anwendungsmöglichkeiten in der Personaldienstleistung. Auch wenn die Technologie erst am Anfang steht, hat Blockchain das Potenzial die Personaldienstleistung umzukrempeln.

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